Montag, 28. Juni 2010
Dandy in der Unterwelt - von Sebastian Horsley
Zu Beginn dachte ich: „Wow! Eine neue Bibel!“ Doch Fakt ist, dass ich schon Ewigkeiten nicht mehr soooo unglaublich lange an einem Buch hatte wie an diesem (gut, würde ich die originale Bibel lesen hätte ich wahrscheinlich noch viel, viel länger). Und so ist auch meine Stimmung nach dem Buch, einerseits begeistert, andererseits gelangweilt. Es ist eine freakige Biographie über unseren Dandy Sebastain Horsley. Eine Person, die um alles in der Welt versucht anders zu sein und auch bereits von Natur aus anders ist. Seine Versuche, ein anderer zu werden, ein Künstler, sind von epischer Qualität. Er kämpft mit den Hindernissen wenn man anders ist, aber eigentlich scheisst er darauf, denn sein Selbstbewusstsein könnte wohl grösser nicht sein. Die ganze Welt dreht sich seiner Meinung nach um ihn und alles andere ist ihm egal. Dekadent und verschwenderisch geht er durch sein Leben. Horsley vereint Extreme, wie wahrscheinlich nur er es tun kann, spannend, bezaubernd und auf bizarre Weise irritierend. Geschmack, Stil, Aussehen und Ansehen zählen mehr als irgendetwas sonst. Und sein Mut, die dunkelsten Wahrheiten so ehrlich in einem lässigen Ton zu erzählen verdient Ansehen. Das Buch und Horsley selbst sind für mich auch der Beweis, dass wenn eine Kindheit eher komisch verläuft, nicht ganz so behütet, es im Erwachsenenalter eher schwierig ist "normal" zu sein oder zu wirken.
Doch das ganze verliert an Respekt, wenn man realisiert, dass er dieses Leben vor allem zu Beginn wie es scheint, nur so leben kann, weil er nicht gerade aus armen Verhältnissen stammt. Noch mehr Respekt verliert er dadurch, dass er sich und seine Welt mit harten Drogen zudröhnt. Für die einen verdient dies vielleicht Respekt, dass jemand jahrelanges Crackrauchen überlebt, ich bin aber nicht dieser Meinung. Mir beweist dies ein gewisses Weicheierverhalten, da es für ihn nicht möglich war, nüchtern durch sein Leben zu gehen. Für mich verdient nur der Respekt, der es schafft damit aufzuhören. (Gut, hat er ja dann auch, dann wieder nicht und dann eben schon...). Trotzdem ist mir das Buch zu sehr pro Drogen. Auch die Einstellung gegenüber Tieren (Pelze tragen) und Frauen kann ich überhaupt nicht teilen. Gut, beim Thema Frau in diesem Buch müsste man vielleicht ein Mann sein um dies besser zu verstehen.
Vor allem die erste Hälfte des Buches gibt für spezielle Charakteren ein paar sehr gute Slogans und Weisheiten ab. Teilweise ist das Buch so obszön, dass man sich schon schuldig fühlt, wen man’s nur liest. Es ist komisch und aufrichtig und zugleich ziemlich düster. Doch in der zweiten Hälfte lässt dies, so finde ich, sehr stark nach. Vor allem wenn man 2-3 Seiten darüber lesen muss, in welchen Farben und Stoffen er sich Anzüge schneidern lassen hat. Es ist schon so, dass seine Bekleidung eine sehr wichtige Rolle spielt und wahrscheinlich ist das auch das Grösste an ihm. Trotzdem sind solche Seiten eher einschläfernd und für mich uninteressant. Vielleicht verstehe ich den Dandy auch einfach nicht.
In den letzten 2-3 Kapiteln wird das Buch für mich dann wieder spannender und auch da habe ich dann wieder ein paar Weisheiten gefunden. Zudem macht er da wieder mal was anderes als nur ficken und Drogen nehmen: Er versucht sich auf eine seeeeeeeeeeehr krasse Art und Weise selbst zu finden. Naja, so sicher, warum er das schlussendlich gemacht hat, ist er sich dann doch nicht. Ich will aber nicht zu viel verraten, denn lesenswert ist das Buch auf jeden Fall, obwohl wahrscheinlich 250 Seiten genügt hätten.
Erschienen im Blumenbar Verlag
ISBN: 978-3-936738-43-8, 424 Seiten
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